Lerntransformation

Besonders Mittelständler tun sich häufig schwer damit, in ein neues Lernkonzept zu investieren. Das ist wenig verwunderlich, schließlich bedeutet dies meist direkt eine doppelte Investition – sowohl in die digitale Infrastruktur als auch die Lerninhalte. Die zentrale Frage lautet daher: Wo soll man (besonders mit kleinem Budget) zuerst anpacken? Im Folgenden lernen Sie das 4-Phasen-Modell zur sukzessiven Lerntransformation kennen. Damit ist der Start in die Welt des effektiven Lernens gar nicht mehr so kompliziert…

Vor Beginn: der Teufelskreis

Der Gedanke an eine Transformation des organisationsinternen Lernkonzepts kann schnell zu einem Teufelskreis der sich selbst erfüllenden Prophezeiungen werden. Diese Gefahr besteht besonders bei kleinem Budget, schließlich stehen im Falle einer solchen Transformation zwei scheinbar massive Investitionen ins Haus:
Erstens die Sanierung der digitalen Lerninfrastruktur, also die technische Transformation und alles was dazugehört – von Recherche über Befähigung der Mitarbeiter bis hin zu Reporting und Schnittstellen zu anderen essenziellen Systemen.
Zweitens die Überarbeitung von Lerninhalten, also die inhaltliche Transformation. Diese erfolgt wiederum auf zwei unterschiedlichen Ebenen: Zum einen gilt es, die Umwandlung in multimedialer und multimethodischer Hinsicht zu vollziehen, indem man Inhalte in zeitgemäße, größtenteils visuelle und interaktive Einheiten umgestaltet. Zum anderen sollte man aber auch hier wiederum die technischen Aspekte nicht außer Acht lassen, denn die Lerninhalte müssen unbedingt in reportfähige E-Learning-Einheiten umgewandelt werden.

So stehen Organisationen meist vor einem Haufen Arbeit, wissen nicht recht wo sie anfangen sollen und geraten dann in den bereits erwähnten Teufelskreis:

„Mein Budget ist begrenzt. Wo soll ich also anfangen? Digitale Infrastruktur? Dann sind die Lerninhalte ja noch nicht sinnvoller und attraktiver als vorher. Wenn ich aber die Inhalte zuerst überarbeite, kann ich nicht einschätzen, welchen Funktionsumfang meine zukünftige Infrastruktur abdecken kann – und nicht zu vergessen das fehlende Reporting. Soll ich also mit beidem gleichzeitig anfangen? Dafür reichen die finanziellen Mittel aber nicht aus. Mein Budget ist schließlich begrenzt…“

Und schon steht man wieder ganz am Anfang. Die gute Nachricht: Erfahrungsgemäß ist der Einstieg das Schwierigste an einer Lerntransformation. Ist erst einmal eine Fahrtrichtung festgelegt und der Zug ins Rollen gekommen, ist die größte Hürde bereits überwunden. Und alles, was es hierfür braucht, ist ein fundiertes Transformationskonzept. Um Ihnen den Weg durch die Transformation also ein Stückchen leichter zu machen, möchten wir Ihnen im Folgenden unser eigenes Konzept etwas genauer vorstellen.

Das 4-Phasen-Modell der sukzessiven Lerntransformation

Das Schlüsselwort unseres Konzepts lautet: sukzessiv. In der Fachliteratur spricht man auch von einem inkrementellen Konzept. Gemeint ist damit, dass über verschiedene Entwicklungsphasen hinweg bestimmte increments (engl.: inhaltliche oder organisatorische Einheiten) forciert, transformiert und optimiert werden. Durch ein solches Konzept können auch komplexe Veränderungen zeitlich entzerrt und die damit verbundenen Kosten sowie die zeitlichen Aufwände verringert werden.

Das drehmoment 4-Phasen-Modell

Ein weiterer Vorteil einer sukzessiven Lerntransformation ist neben den verringerten finanziellen und zeitlichen Aufwänden auch die gesteigerte Akzeptanz aufseiten von Stakeholdern und Lernenden. Durch die phasenweise Veränderung fühlen sich diese nicht vor vollendete Tatsachen gestellt, sondern entwickeln unterstützt durch kontinuierliche Feedbackschleifen das Gefühl einer Authentic Participation (engl.: tatsächliche Einflussnahme). Auf diese Weise hat jeder Betroffene in einer Organisation das Gefühl, an der Veränderung mitzuwirken. Die Transformation selbst wird so zu einem vereinenden Element in Ihrer Organisationskultur. Apropos Organisationskultur…

Phase 1: Weichenwechsel

Die Organisationskultur spielt in der ersten Phase die Hauptrolle. Dabei ist sie eine absolute Diva, die sich unvorhersehbar und von Organisation zu Organisation komplett unterschiedlich verhält. Wie es sich für eine Diva gehört, überstrahlt sie auch ihre Nebendarsteller, etwa die initiale Auswahl eines Learning-Management-Systems (LMS) und eines Autorensystems.

Die Worte von Peter Drucker, einem der renommiertesten Ökonomen des 20. Jahrhunderts, verleihen dem häufig missachteten Faktor Organisationskultur deutlichen Nachdruck: „Kultur isst Strategie zum Frühstück“. Dies bedeutet selbstverständlich nicht, dass die Strategie keine Rolle spielt. Im Gegenteil ist eine gut ausgearbeitete Transformationsstrategie sogar essenziell. Allerdings ist die beste Strategie wertlos, wenn in ihr die Organisationskultur keine Berücksichtigung findet.

Vereinfachter Wandel Ihrer Lernkultur: 4-Phasen-Modell, Lerntransformation
Phase 1: Weichenwechsel
Phase 1: Weichenwechsel.

In Phase 1 geht es um den Weichenwechsel Ihres Lernzugs. Wählen Sie ein LMS sowie eine Autorensoftware aus. Machen Sie diese Entscheidung von der gegenwärtigen Infrastruktur und dem aktuellen Format Ihrer Inhalte abhängig. Das ist für einen ruckelfreien Weichenwechsel notwendig. Außerdem sollten auch in Phase 1 bereits einige kleinere inhaltliche Einheiten überarbeitet und attraktiver gestaltet werden, um Ihren Lernenden einen kleinen Einblick in die Vorteile zu geben, von denen sie nach der erfolgreichen Transformation profitieren können. All das geschieht aber nur unter strenger Berücksichtigung der Organisationskultur. Behalten Sie immer folgende Fragen im Hinterkopf: Was ist Stakeholdern und Lernenden wichtig (engagement)? Was ist der aktuelle Wissensstand aller Mitarbeiter (competence)? Wie sind Mitarbeiter gegenüber Veränderung und vor allem Digitalisierung eingestellt (acceptance)? Und folglich: Wie kann ich skeptische Mitarbeiter von der Sinnhaftigkeit (purpose) der Transformation überzeugen?

Phase 2: Strecke ausbessern

Nach dem Weichenwechsel gilt es, die Strecke auszubessern. Diese Phase ist zeitlich und finanziell am wenigsten aufwendig. Nach einer gewissen Grundlageninvestition und einer starken Veränderung im Lernalltag aller Mitarbeiter ist eine gewisse Ruhephase sinnvoll. Das bedeutet natürlich nicht, dass in Phase 2 nichts passiert. Nun kann nämlich der administrative Ausbau der neuen Infrastruktur stattfinden. Eine Reporting-Pipeline wird aufgebaut; Pain-Points können identifiziert und eliminiert werden.

Vereinfachter Wandel Ihrer Lernkultur: 4-Phasen-Modell, Lerntransformation
Phase 2: Strecke ausbessern
Phase 2: Strecke ausbessern.

Außerdem können Sie alle technischen Vorkehrungen für die Integration von Präsenz- oder Virtual-Classroom-Trainings in die neue Infrastruktur treffen. Weitere Integrationen werden in Phase 4 aktiviert.

Phase 3: Auftanken

Auf die Ruhe folgt der Sturm. Das Auftanken ist sicherlich die wichtigste Phase der gesamten Lerntransformation. Inhalte werden hier auf verschiedene Weisen „aufgetankt“: Sie werden interaktiver gestaltet, visueller angelegt und stärker an Präsenzinhalte angepasst. Inhalte müssen außerdem individualisiert werden. Das bedeutet einerseits, akribisch auf die individuellen Stärken und Schwächen der Lernenden einzugehen, die anhand des nun verfügbaren Reportings offensichtlich werden. Andererseits werden nun aber auch Lernprozesse konzipiert und lerngruppenspezifisch aus bestehenden Einheiten zusammengesetzt (etwa alle relevanten Inhalte für das Onboarding neuer Mitarbeiter oder für das Arbeiten an bestimmten Maschinen oder in bestimmter Software etc.).

Vereinfachter Wandel Ihrer Lernkultur: 4-Phasen-Modell, Lerntransformation
Phase 3: Auftanken
Phase 3: Auftanken.

Beim Auftanken geht es also zur Sache. Die didaktisch sinnvolle und für die Lernenden ansprechende Umsetzung der (größtenteils) bestehenden Inhalte entscheidet maßgeblich über den Erfolg Ihrer Zugreise. Dabei können und sollten die im LMS und der Autorensoftware zur Verfügung stehenden Funktionen voll ausgeschöpft werden. Sollten Sie das Gefühl haben, diesen Teil der Transformation nicht oder nur zum Teil stemmen zu können, holen Sie sich hierzu auf jeden Fall externe Hilfe von einer entsprechend spezialisierten Agentur. Denn wenn das Auftanken reibungslos funktioniert, steht einer langen, nachhaltig erfolgreichen und produktivitätssteigernden Reise nichts mehr im Wege!

Phase 4: Brücken bauen

Die entscheidenden Phasen der sukzessiven Lerntransformation liegen nun hinter Ihnen. Zuletzt gilt es noch, Brücken zu bauen. Das ist wichtig, denn wenn Inhalte gut über die internen Kommunikationswege erreichbar und kommunizierbar sind, steigert dies auch deutlich die ihnen entgegengebrachte Akzeptanz und Wertschätzung. Falls Sie in Ihrem Lernkonzept beispielsweise eine Gamification Strategie verfolgen (was Sie unbedingt tun sollten!), können Erfolge intern schnell und einfach verbreitet und Wettbewerbe oder Diskussionen über Lerninhalte leichter zugänglich gemacht werden. Sollten Sie einen internen Messenger oder Aufgabenmanager nutzen, können neue Lerninhalte einfach kommuniziert und zugewiesen werden – ohne möglicherweise im SPAM-Ordner des E-Mail-Programms verloren zu gehen.

Vereinfachter Wandel Ihrer Lernkultur: 4-Phasen-Modell, Lerntransformation
Phase 4: Brücken bauen

Je besser Ihre Lerninfrastruktur also an Ihre Arbeitsprozesse angebunden ist, desto weniger besteht die Gefahr, dass Lerninhalte ungesehen im digitalen Nirvana verstauben. Je mehr Brücken Sie bauen, desto mehr Passagiere können sich frei in Ihrer Welt des Wissens bewegen.

Wer nicht anfängt, wird nicht fertig.

Zeitgemäßes Lernen in seine Organisation zu bringen, kann manchmal wie ein nicht stemmbares Mammutprojekt wirken. Mit einem durchdachten sukzessiven Transformationskonzept, wie Sie es heute kennengelernt haben, wird die Transformation allerdings machbar – und nicht nur das: Lernende akzeptieren Veränderungen auch besser, wenn diese graduell stattfinden und die Lernenden mit in den Transformationsprozess einbezogen sind. Durch die phasenweise Umstellung werden Ihre Mitarbeiter nicht überlastet und Ihre Organisation kann finanzielle Belastungen zeitlich entzerren. Mit dem 4-Phasen-Modell ist auch die Frage nach dem Startpunkt einer Lerntransformation beantwortet. Die Devise lautet: Weichenwechsel, Strecke ausbessern, Auftanken und zuletzt Brücken bauen.

Falls Sie weiterführende Informationen zu unserem 4-Phasen-Modell benötigen, können Sie diese in unserem englischsprachigen Exzerpt zur Lerntransformation im akademischen Umfeld „A guide to incremental change in the learning environment“ nachlesen oder sehr gerne auch ein unverbindliches Gespräch mit uns vereinbaren. Zudem unterstützen wir Sie auch gerne bei Ihrer eigenen Transformation oder führen diese für Sie durch.
Wir wünschen Ihnen viel Erfolg bei Ihrer Zugfahrt in die Lernwelt der Gegenwart und Zukunft!

Autor: Marius Lex, Senior Consultant, drehmoment, www.drehmoment-gmbh.de