Kontaktloser Service

Während vor der Corona-Pandemie nur wenige Kund*innen etwas mit dem Begriff „kontaktloser Service“ anfangen konnten, hat sich diese Art der Geschäftsabwicklung insbesondere während der harten Lockdowns zu einer festen Größe im Dienstleistungsbereich entwickelt: Die Kund*innen haben die Möglichkeit, ihre Ware oder Dienstleistung ganz ohne physischen Kontakt zum Anbieter zu erhalten.

Kontaktloser Service in Zeiten der Corona Pandemie

Andere Branchen gehen voran

Schon vor Corona hat sich der kontaktlose Service beispielsweise bei Flug- oder Hotelbuchungen, beim Check-in am Flughafen, beim Pizzaservice oder Onlineshopping etabliert – aus Gründen der Kundenorientierung und Prozesseffizienz. Durch die Pandemie wurde – quasi über Nacht – das „Abstand halten“ auch in beratungsintensiven Branchen eingeführt, um die Hygienestandards zu erfüllen und den Mindestabstand einzuhalten.

Was bei Verbraucher*innen als besonders rücksichtsvoll und kundenorientiert ankam, war auf Anbieterseite häufig bloße Überlebensstrategie, um irgendwie die Kommunikationskanäle Richtung Kund*innen offenzuhalten und geschäftsfähig zu bleiben. Beispiele gibt es hierfür zuhauf: Die Pizza musste nicht mehr an der Türschwelle bar gezahlt werden, sondern die Rechnung konnte man im Vorfeld schon bequem via Online-Payment begleichen. Die Produktberatung im Sportgeschäft fand aus der Ferne via WhatsApp-Videokommunikation statt. Der Klavierunterricht wurde per Facetime abgehalten. Wer einen neuen Reisepass beantragen wollte, musste vorher per Online-Formular einen Termin auf dem Amt reservieren. Und auch Einlass ins städtische Freibad erhielten nur diejenigen, die davor ein Online-Ticket ergattern konnten. Selbstverständlich wurde hier anfänglich sehr viel experimentiert und manche der erprobten Ideen stellten sich im Nachhinein als nicht praktikabel heraus. Das ist aber gar nicht weiter tragisch, zumal die Verbraucher zumindest in den Anfängen der Pandemie maximales Verständnis für diese Art von „trial and error“ hatten. Relevant ist, dass viele Unternehmen endlich mit ihren Bemühungen um die Digitalisierung ihrer Serviceprozesse Ernst gemacht haben – und das mit einer noch nie da gewesenen Umsetzungsgeschwindigkeit. Corona als „Brandbeschleuniger“.

Kontaktlos auch nach Corona?

Corona ist zwar nicht vorbei, aber voraussichtlich kommen wir jetzt in eine Phase, in der 3G (geimpft, genesen, getestet) ein weitgehend normales öffentliches Leben wieder zulassen wird. Was bleibt also übrig vom kontaktlosen Service? Kehren wir zurück zu den Methoden „vor Corona“? Dafür spricht, dass sich sowohl auf Kunden- als auch auf Mitarbeiterseite mit Sicherheit eine große Mehrheit findet, die sich genau danach sehnt. Klar ist aber auch, dass sehr viele Unternehmen mit dem kontaktlosen Service bei vielen ihrer Kund*innen einen Nerv getroffen haben, der jetzt eben auch dauerhaft stimuliert werden möchte.

Im Retail Consulting merken wir gerade, wie sich der „kontaktlose Service“ mit fast schon atemberaubender Geschwindigkeit verselbständigt. Sowohl Mitarbeiter*innen als auch Kund*innen begreifen mehr und mehr die Vorteile der digitalen Geschäftsabwicklung.

Die Smart Video Communication erobert den Service

Beispiel Werkstattgeschäft

Werfen wir beispielhaft einen Blick auf das Werkstattgeschäft im Autohaus:

  • Online-Terminvereinbarung: Die Kund*innen vereinbaren über die Homepage oder App des Händlers bzw. Herstellers mit wenigen Klicks einen Servicetermin. Der Anruf beim Händler, das Verweilen in der Warteschleife, das Weiterverbinden und die zahlreichen Rückfragen der Service Assistenz entfallen. Die Zeitersparnis auf beiden Seiten ist enorm und zudem funktioniert die Terminvereinbarung rund um die Uhr (24/7).
  • Check-in: Die Kund*innen kommen zum Termin und checken sich selbständig am Self-check-in-Terminal ein. Außerhalb der Öffnungszeiten geht das bequem via App und Nachttresor. Das lästige Anstellen am Counter und die Notwendigkeit des pünktlichen Erscheinens entfallen. Die sogenannte Digital Service Reception ist der neueste Trend im Aftersales Geschäft und findet immer mehr Anhänger*innen.
  • Service Beratung (Direktannahme): Der Mehrwert der gemeinsamen Begutachtung des Fahrzeugs auf Mitarbeiter- und Kundenseite ist unbestritten. Allerdings erfordert dieser Prozessschritt Zeit, Geduld und Pünktlichkeit auf beiden Seiten. Die Methodik der Smart Video Communication bringt einen vergleichbaren Effekt mit deutlich geringerem Zeitinvest. Die Service Berater*innen halten Schäden und Potenziale per Video fest und senden die Filmaufnahme an die Kund*innen per E-Mail-Link zur Kenntnisnahme und/oder Freigabe.
  • Auftragserstellung: Sind die Kund*innen gar nicht mehr physisch anwesend, müssen sie logischerweise auch nicht Service Berater*innen dabei zuschauen, wie sie Arbeitswertpositionen und Teilenummern in das Dealer Management System eingeben. Stattdessen erhalten sie den Auftrag bequem per E-Mail zur Kontrolle und Freigabe. Das spart Zeit und Nerven – übrigens auch wieder auf beiden Seiten.
  • Auftragserweiterung: Auch die Mitarbeiter*innen in der Werkstatt beherrschen die Smart Video Communication (siehe oben) und senden im Falle einer Auftragserweiterung das Video den Service Berater*innen auf digitalem Weg zu. Diese leiten es ebenfalls digital an die Kund*innen weiter. Die Werkstattmitarbeiter*innen müssen für die Kommunikation mit der Service Beratung ihren Arbeitsplatz (die Hebebühne) nicht verlassen und der Freigabeprozess zwischen Service Beratung und Kund*in kann dadurch nachweislich beschleunigt werden.
  • Bezahlung der Rechnung: Statt sich an der Kasse anzustellen, um die Rechnung zu bezahlen, können sich Kund*innen für das Online-Payment entscheiden. Dafür erhalten sie die Rechnung unmittelbar nach Fertigstellung per E-Mail und können sie per Paypal, Kreditkarte o. Ä. mit nur wenigen Klicks begleichen.
  • Fahrzeugrückgabe: Mithilfe der Digital Service Reception kann auch die Fahrzeugrückgabe komplett kontaktlos und ohne Wartezeit erfolgen. Ähnlich wie beim Check-in kann die Fahrzugrückgabe außerhalb der Öffnungszeiten stattfinden.
Check-in-Terminal im Rahmen der Digital Service Reception (Service Provider & Foto: Tjekvik)

Insellösungen

Wir kennen aktuell nur sehr wenige Werkstätten, die bereits alle hier genannten Tools im Einsatz haben. Die einen probieren sich an der Smart Video Communication, die anderen versuchen – schon fast mit der Brechstange – die Kund*innen von der Online-Terminvereinbarung zu überzeugen. Und manche haben sich jetzt einfach mal ein Terminal für die Digital Service Reception in den Eingangsbereich gestellt. Betriebe, die den Kund*innen einen vollständig kontaktlosen Service anbieten, sind aktuell noch absolut in der Minderheit. Die Vorbehalte und Einwände in Bezug auf die Digitalisierung des Serviceprozesses sind in vielen Unternehmen noch zu groß und müssen auch unbedingt ernst genommen werden.

  • Fehlende Schnittstellen: Bei den Tools zur Digitalisierung des Servicegeschäfts handelt es sich in der Regel noch um „Insellösungen“ verschiedener Drittanbieter mit unterschiedlichen Back- und Frontends. Vor allem fehlen die entsprechenden Schnittstellen zu den Dealer Management Systemen und/oder den IT-Systemen der Hersteller und Importeure.
  • Mangelnde Bekanntheit: Ein über Jahrzehnte eingeführter Prozess lässt sich nicht mal kurz über Nacht ändern. Kund*innen, die nach zwanzig Jahren in ihrem Autohaus plötzlich nicht mehr anrufen sollen, um einen Termin zu vereinbaren, müssen über diesen neuen Service zunächst einmal informiert werden und dann für sich selbst einen klaren Nutzen in diesem neuen Service erkennen.
  • Ängste der Mitarbeiter*innen: Noch immer sehen viele Mitarbeiter*innen in der Digitalisierung eine Bedrohung für den eigenen Arbeitsplatz. Die Angst eines Service Assistenten oder einer Service Beraterin, plötzlich durch eine Maschine ersetzt zu werden, muss ernst genommen werden. Sonst werden aus den Mitarbeiter*innen ganz schnell Innovationsverhinderer statt Innovationstreiber.

Es gibt also insgesamt noch sehr viel zu tun, um die Idee des kontaktlosen Service vollumfänglich zu implementieren. Insbesondere in beratungsintensiven Branchen wird die vollständige Digitalisierung weit weniger schnell vonstattengehen als in Branchen mit weniger Beratungsbedarf.

Kontaktloses Bezahlen auf dem Vormarsch

Jetzt unbedingt am Ball bleiben

Dennoch – oder vielleicht gerade deshalb – raten wir jedem Unternehmen mit Kundenkontakt, sich mit den Möglichkeiten des kontaktlosen Service auseinanderzusetzen und beim Ausprobieren und Implementieren von neuen Tools möglichst wenig wertvolle Zeit verstreichen zu lassen. Der Wettbewerb schläft nicht: Die Anbieter der Tools haben längst erkannt, dass ihre Systeme besser mit anderen Anwendungen vernetzt werden müssen. Und ganz wichtig: Die Kund*innen haben längst erkannt, dass digitale Geschäftsprozesse in vielen Bereichen nicht nur keine Nachteile, sondern sogar eine ganze Menge Vorteile mit sich bringen können.

Haben auch Sie Interesse, in Ihrem Betrieb einen kontaktlosen Service einzuführen und/oder Teile Ihrer Kundenprozesse zu digitalisieren? Wir stehen Ihnen mit unserem Know-how und unseren Consulting-Kompetenzen jederzeit gerne zur Verfügung. Zudem führen wir regelmäßig verschiedene Trainingsmaßnahmen zum kontaktlosen Service durch.

Autor: Armin Müller
Geschäftsführer drehmoment
www.drehmoment-gmbh.de