Gender equality in der Arbeitswelt

Der Name „Kim“ kann sowohl männlich als auch weiblich sein. Allein aus diesem Gesprächsausschnitt lässt sich nicht sagen, ob es sich bei „Kim“ um einen Mann oder eine Frau handelt – doch wenn wir ehrlich sind, beziehen wir Gespräche dieser Art meist automatisch auf das weibliche Geschlecht. Kaum jemand würde einem Mann vorwerfen, dass er ein Jahr nach der Geburt des Kindes wieder arbeitet. Einer Frau schon. Wenn Frauen nach ihrer Schwangerschaft schnell wieder in den Berufsalltag zurückkehren, vermuten die meisten finanzielle Gründe dahinter. Selbst heute noch scheinen „Kinder und Karriere“ ein Gegensatz zu sein, wie Lena Hipp (Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung) in einer Studie feststellt. Während bei Frauen eine kurze Babypause und der damit verbundene Einsatz für ihren Job negativ ausgelegt werden, spielt dieser Umstand bei Männern keine Rolle. Und tatsächlich können wir diesen Geschlechterunterschied in der Arbeitswelt nicht nur an stereotypen Bildern, sondern an konkreten Fakten festmachen. 

Gleichberechtigung – gleiche Chancen? Denkste!

Unsere Alarmglocken schrillen bei der Tatsache, dass Frauen im Jahr 2020 in einer Stunde durchschnittlich 18 Prozent weniger verdienten als Männer. In dieser Verdienstdifferenz haben wir also unser erstes Indiz für eine mangelnde Gleichbehandlung auf dem Arbeitsmarkt.

Aufhorchen lässt uns auch, dass Frauen seltener in Führungspositionen anzutreffen sind. Nach einer Studie des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung waren lediglich 8 Prozent aller Vorstandssitze in den 160 größten deutschen börsennotierten Unternehmen von Frauen besetzt – und nur 30 Prozent aller Aufsichtsratsmitglieder dieser Unternehmen waren weiblich. Tatsache ist außerdem, dass Frauen mehr Zeit mit Kinderbetreuung, Haus- und Gartenarbeit verbringen (sogenannte „Sorgearbeit“ – natürlich unbezahlt). Hier treffen wir also auf die anfangs beschriebenen, kulturell fest verankerten Vorstellungen. Die Soziologin Anna Dechant begründet dies damit, dass „Mutterschaft eher mit Kümmern und Vaterschaft stärker mit finanzieller Sicherheit verknüpft“ werde – und diese Vorstellung hat ganz konkrete Auswirkungen. Laut Bundesfamilienministerium brachten Frauen im Jahr 2019 pro Tag durchschnittlich 52,4 Prozent mehr Zeit für unbezahlte Sorgearbeit auf als Männer. Dies entspricht einem Unterschied von 87 Minuten pro Tag.

Dies ist einer der entscheidenden Gründe dafür, weshalb Frauen häufiger in Teilzeit arbeiten (66,2 Prozent, bei den Männern sind es 6,4 Prozent), niedrigere Einkünfte beziehen und geringere Rentenansprüche haben. Von einer umfassenden Gleichstellung in Deutschland können wir derzeit also nur träumen.

Corona – eine zusätzliche Hürde für die Chancengleichheit

Als wäre Gleichberechtigung für die Arbeitswelt nicht schon Herausforderung genug, kamen mit der Corona-Pandemie – wie sollte es anders sein – neue Probleme hinzu. Die Kitas waren geschlossen und Notbetreuungen wurden zunächst nur für systemrelevante Berufsgruppen angeboten. Auch der Schulunterricht zog in die eigenen vier Wände um und die Eltern wurden kurzerhand zur Homeschooling-Betreuung umfunktioniert. „Karriere“ und „Kinderbetreuung“ lässt sich vereinbaren – allerdings nur mit ausreichender Unterstützung. Und genau die war plötzlich weg. Doch nicht nur für die Betroffenen stellte die Corona-Krise eine enorme Belastung dar, sondern ebenso für die Gleichberechtigung zwischen Frauen und Männern.

Sorgearbeit? Frauenarbeit.

Vor allem Frauen mit betreuungsbedürftigen Kindern mussten ihre Arbeitszeit deutlich reduzieren. Waren es vor Corona wöchentlich noch 31 Stunden, so sank diese Zahl im April 2020 auf nur noch 24 Stunden (im Oktober 28 Stunden).

Die freie Zeit musste für den höheren Bedarf an Sorgearbeit verwendet werden. Im November 2020 gaben 66 Prozent der befragten erwerbstätigen Frauen an, den größeren Teil der Kinderbetreuung in ihrer Partnerschaft zu übernehmen. Damit kam der Hauptteil der zusätzlich anfallenden Sorgearbeit, trotz Wechselmodellen, eindeutig den Frauen zu.

Eine große Rolle spielten dabei finanzielle Gründe. Zwar waren Frauen und Männer fast gleichermaßen von Kurzarbeit betroffen, allerdings verzeichneten erwerbstätige Frauen ein niedrigeres Einkommen und erhielten seltener eine Aufstockung des Kurzarbeitergeldes über das gesetzlich vorgesehene Niveau hinaus. Die finanziellen Einbußen waren also größer, sobald der Mann im Job kürzertrat. So macht die Corona-Krise vor allem eine Sache deutlich: Durch die ohnehin schon bestehende Einkommensungleichheit wurde auch die ungleiche Aufteilung der Sorgearbeit verschärft – Leidtragende waren und sind die Frauen.

Gender Equality beginnt in Ihrem Unternehmen

Prof. Dr. Bettina Kohlrausch (wissenschaftliche Direktorin des WSI) fasst diese Trends zusammen: Die Krise habe bereits existierende Ungleichheitsstrukturen verstärkt – wenn dem nicht rechtzeitig entgegengesteuert werde, könne es auch langfristig zu einer wachsenden Ungleichheit zwischen den Geschlechtern kommen. Doch wie können Sie dazu beitragen, dies zu verhindern?

  • Wandel der Unternehmenskultur: Machen Sie in Ihrem Unternehmen Schluss mit stereotypen Bildern. Verzichten Sie auf das Idealbild des männlichen Arbeitnehmers, der in Vollzeit tätig ist, während seine in Teilzeit arbeitende Frau die Sorgearbeit übernimmt. Indem Sie die Rahmenbedingungen für die Gleichstellung der Geschlechter verbessern, ermöglichen Sie Frauen eine bessere Vereinbarung von Familie und Beruf. Hier sind starke Vorbilder gefragt!
  • Transparenz: Um die Geschlechterstereotype aufzubrechen, sollten die Bewertungskriterien so konkret und transparent wie möglich kommuniziert werden. Gerade auch entsprechende Schulungen zur Reflexion und zur Veränderung des Rollenverhältnisses von Frauen und Männer können dazu beitragen, faire Leistungsbeurteilungen zu erzielen.
  • Arbeitsorganisation: Starre Arbeitszeiten, die Präsenzpflicht am Arbeitsort und Randtermine erschweren die Vereinbarung von Familie und Beruf. Die Lösungen sind flexible Arbeitszeiten, die nicht mehr an den festen Arbeitsplatz gebunden sind und leicht im Home-Office wahrgenommen werden können. Richten Sie Ihren Digital Workplace so ein, dass er Ihren Mitarbeiter*innen agiles Arbeiten ermöglicht und den Arbeitsalltag vereinfacht. Durch solche Freiheiten werden auch mehr Väter dazu animiert, von zu Hause aus zu arbeiten und die Kinderbetreuung zu übernehmen.
  • Erleichtern Sie den Arbeitseinstieg: Nach der Corona-Krise könnte ein Teil der Frauen, die ihre Arbeitszeit im Lockdown deutlich reduzieren mussten, Schwierigkeiten haben, zu dem alten Beschäftigungsumfang zurückzukehren. Dies gilt auch für Eltern- oder Pflegezeiten. Um Ihren Mitarbeiter*innen den Wiedereinstieg zu erleichtern, eignen sich gesonderte Weiterbildungen oder spezielle Traineeprogramme. Insgesamt sollten Frauen und Männer mit Sorgeverantwortung gezielter in betriebliche Weiterbildungs- und Aufstiegsförderkonzepte eingebunden werden – und diese sollten selbstverständlich nicht in der Freizeit absolviert werden müssen.
  • Schließen Sie die Gender Pay Gap: Dem Lohnunterschied zwischen Männern und Frauen können Sie in Ihrem Unternehmen konkret entgegenwirken. Die Bewertung von Arbeitsleistung und die Besetzung wichtiger Positionen innerhalb des Unternehmens dürfen nicht vom Geschlecht der Arbeitnehmer*innen, sondern einzig von deren Leistungen abhängen.

Geschlechtergleichheit ist eine Herausforderung, welche die ganze Arbeitswelt betrifft. Und es muss sich einiges ändern. Zwar können Sie allein nicht die gesamte Arbeitsmarktsituation für Frauen ändern, allerdings können Sie in Ihrem Unternehmen für einen Arbeitsplatz einstehen, der Gender Equality aktiv fördert. Denn letztlich profitieren Sie von qualifizierten Arbeitskräften, einer erhöhten Bindung der Arbeitnehmer*innen an das Unternehmen, einem guten Betriebsklima, Teamwork ohne stereotype Vorurteile und besonders von motivierten und zufriedenen Mitarbeiter*innen.

Vielleicht gelingt es so, die fest verankerten stereotypen Rollenbilder, die uns bei dem anfangs beschriebenen Dialog fast schon automatisch an eine Frau denken lassen, eines Tages loszuwerden.

Autorin: Selina Mayer