Sie werden mir sicher zustimmen, dass Führungskräfte durch ihr Verhalten einen Einfluss auf das Wohlbefinden und die mentale Gesundheit ihrer MitarbeiterInnen haben. Studien zeigen sogar einen Zusammenhang zwischen dem Verhalten der Führungskraft und dem wahrgenommenen Stress, der Arbeitsleistung, Motivation, Zufriedenheit sowie dem Engagement der anderen Teammitglieder. Das Thema psychische Gesundheit gewinnt nicht ohne Grund zunehmende Bedeutung in der Arbeitswelt. Krankenkassen verzeichnen einen drastischen Anstieg an Fehltagen aufgrund psychischer Erkrankungen. Abgesehen davon sind psychisch gesunde MitarbeiterInnen nicht nur produktiver, sondern auch kreativer, zufriedener mit ihrer Arbeit und halten ihrem Unternehmen eher die Treue.

Um zu verstehen, was den Menschen am Arbeitsplatz gesund hält, und um beim Führen von MitarbeiterInnen flexibel auf deren Bedürfnisse eingehen zu können, lohnt sich ein Blick in die Psychologie.

Psychische Grundbedürfnisse

Fehlt uns die Luft zum Atem, beißen wir alle schnell ins Gras. Daher atmen wir einfach automatisch weiter, ganz selbstverständlich. Wollen wir unsere Leistung verbessern, öffnen wir auch am Arbeitsplatz hin und wieder die Fenster, wenn uns nach einer frischen Brise zumute ist – ist ja schließlich auch gesund. Stichwort gesund: Wie sieht es denn mit psychischen Grundbedürfnissen aus? Denn allein von Luft und Liebe lässt sich bekanntlich nicht leben.

Im Laufe der Evolution hat der Mensch vor allem drei psychische Grundbedürfnisse ausgebildet: soziale Verbundenheit, Selbstwertschutz sowie das Bedürfnis nach Orientierung und Kontrolle. Auf diese drei können wir heute sowohl privat als auch beruflich nicht verzichten. In Hinblick auf das Bindungsbedürfnis bedeutet gesunde Führung, eine gute Beziehung zu den eigenen MitarbeiterInnen zu pflegen und ein Team mit positiven Dynamiken aufzubauen, welches sich gegenseitig unterstützt.

Das Bedürfnis nach Selbstwertschutz wird im Arbeitsleben häufig mit Wertschätzung gleichgesetzt. Viele Leute benennen Wertschätzung als einen der wichtigsten Faktoren am Arbeitsplatz. Sie stellt eine enorm wichtige und unerschöpfliche Ressource dar, die Sie keinen einzigen Cent kostet. Hat der Mensch Orientierung in seinem Umfeld und eine gewisse Kontrolle über seine Situation, gewinnt er dadurch Sicherheit. Eine defizitäre Informationspolitik gilt deshalb als Hauptstressor am Arbeitsplatz. Stabile Rahmenparameter und klare Definition von Rollen und Abläufen geben hingegen Sicherheit und befriedigen dieses Bedürfnis.

7 Tipps für die Umsetzung eines gesunden Führungsstils im Alltag

1. Transparenz schaffen

Sorgen Sie für einen guten Informationsfluss und Transparenz und befriedigen Sie damit das Bedürfnis nach Bindung, Orientierung und Kontrolle. Stellen Sie sicher, dass alle über die Informationen verfügen, die sie für ihre Aufgaben und eine gute Zusammenarbeit benötigen. Wenn beispielsweise Veränderungen anstehen, sollten MitarbeiterInnen frühzeitig informiert werden, damit Transparenz bezüglich neuer Vorhaben geschaffen wird. Das wirkt Gerüchten, Widerständen und Ängsten entgegen und unterstützt gleichzeitig soziale Faktoren. Fördern Sie eine offene Kommunikation und machen Sie Entscheidungen transparent. Dadurch werden Veränderungen fassbarer und können im Optimalfall durch Partizipation der MitarbeiterInnen besser gestaltet werden, wodurch sich deren Motivation und somit die Qualität des Prozesses erhöht. Ein Mangel an Transparenz und Informationsfluss kann hingegen zu Schnittstellen-Problematiken, falsch verstandenen Arbeitsaufträgen und Unklarheiten bei der Ressourcenverteilung führen.

2. Wertschätzung und Anerkennung

Bei der Befriedigung des Bedürfnisses nach Selbstwertschutz und Selbstwerterhöhung kann Wertschätzung einen förderlichen Faktor darstellen. Wertschätzung meint dabei die positive Bewertung der ganzen Person und gründet auf einer allgemeinen positiven Haltung anderen gegenüber. Es handelt sich demnach um mehr als nur Lob und Leistungsanerkennung; es bedeutet nicht nur die Leistung seiner Teammitglieder zu sehen, sondern auch den Menschen als Ganzes wahrzunehmen und anzuerkennen. Wertschätzendes Verhalten enthält Zugewandtheit, Interesse, Aufmerksamkeit, Wohlwollen, Respekt und Freundlichkeit. Wertschätzung und Lob von der Führungskraft befriedigt zudem das Bedürfnis nach sozialer Verbundenheit – aber Vorsicht vor routinemäßigen Lobattacken. MitarbeiterInnen könnten sich dadurch klein gemacht fühlen, denn wer lobt, entscheidet darüber, was richtig und gut ist. Die Person signalisiert, dass sie die Regeln kennt und somit über dem Gelobten steht. Wenn man hingegen Anerkennung äußert, drückt man dadurch aus, was einen persönlich freut, begeistert, anspricht usw. Dadurch bleibt man auf Augenhöhe mit dem Gegenüber.

3. Fairness

Fair Play kennen wohl die meisten aus dem Sport. Fairness wird dort zwar bewundert, doch wirklich erfolgreicher wird man dadurch eher nicht. Faires Verhalten kann Erfolg in diesem Rahmen bisweilen sogar dämpfen. Ganz anders sieht es aber bei fairem Führungsverhalten aus.

Ein faires Verhalten lohnt sich dahingehend, dass man mit diesem mehr Respekt und Achtung erfährt und somit erfolgreicher führen kann. Die Kosten für ein unfaires Führungsverhalten sind vielleicht nicht auf den ersten Blick sichtbar, können jedoch enorm ausfallen. Neben gesundheitlichen Schäden wie Stressreaktionen und Depressionen führt Unfairness auch zu Imageschäden, gesteigerten Kündigungsraten, negativen Dynamiken im Team oder anderen geschäftsschädigenden Verhaltensweisen.

4. Vertrauen

Das Motto „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser“ hat schon längst ausgedient. Vielmehr gilt es, bei einer gesunden Mitarbeiterführung ein größtmögliches Vertrauen in Ihr Team sowie deren Kompetenzen und Arbeit zu zeigen. Ihre MitarbeiterInnen sind im Optimalfall Experten auf ihrem Gebiet und kennen sich hier aufgrund ihrer fachlichen Expertise möglicherweise besser aus als Sie. Versuchen Sie also eine positive Erwartungshaltung einzunehmen und kommunizieren Sie Ihr Vertrauen in Ihre Fachkräfte. Durch einen Satz wie „Jetzt sind Ihre Ideen als Expertin gefragt, ich glaube an Sie!“ bringen Sie Ihre Interaktion und Beziehung auf eine vertrauensvolle und gewinnbringende Ebene. Vertrauen stärkt zudem die Bindung – nicht nur zur Führungskraft, sondern auch zum ganzen Unternehmen. Wenn Sie die Eigenverantwortung Ihrer MitarbeiterInnen stärken, machen Sie deutlich, dass Sie ihnen vertrauen und etwas zutrauen. Dieses Vertrauen wird im Gegenzug mit zusätzlichem Engagement und gesteigerter Motivation belohnt.

5. Entwicklungsmöglichkeiten schaffen

Das Gefühl von Stagnation und Überlastung ist häufige Ursache für Burnout oder andere psychische Erkrankungen. Ermutigen Sie daher Ihre MitarbeiterInnen, sich weiterzuentwickeln, und stellen Sie Ihnen hierfür die nötigen Ressourcen bestmöglich zur Verfügung. Weiterbildungsangebote spielen hierbei eine wichtige Rolle, denn fühlen sich Teammitglieder überlastet, kann mit einer passenden Weiterbildung gegengesteuert werden. Besonders im Hinblick auf die rasante Globalisierung und Digitalisierung unserer gegenwärtigen Arbeitswelt sind Weiterbildungsmaßnahmen sehr wichtig und sollten entsprechend gefördert und wahrgenommen werden.

6. Ein optimales Maß an Handlungsspielraum und Kontrolle finden

Ein angemessener Tätigkeits- und Handlungsspielraum ist in der Arbeitswelt wohl der wichtigste Faktor bei der Befriedigung des Bedürfnisses nach Orientierung und Kontrolle. Setzten Sie dies beispielsweise durch ganzheitliche Arbeitsaufträge um. Diese geben Ihren MitarbeiterInnen Orientierung, da sie den Sinn und Zweck der einzelnen Arbeitsschritte kennen und somit verstehen, auf welches Ziel sie hinarbeiten.

7. Die gesunde Selbstführung

Vor lauter Eifer sollten Sie aber auch sich selbst nicht vergessen. In Anbetracht der gesunden Selbstführung müssen Sie sich Ihrer Vorbildfunktion und Ihrem Einfluss auf Ihre MitarbeiterInnen bewusst sein. Das Modelllernen ist eine grundlegende menschliche Lernstrategie und besagt, dass wir uns an Personen orientieren, deren Status und Verhalten uns als erstrebenswert erscheinen. Auf den Arbeitsplatz bezogen meint dies jene Personen, welche uns hierarchisch übergeordnet sind. Wenn Sie sich also selbst ungesund verhalten, wird dies auch direkten Einfluss auf Ihre MitarbeiterInnen haben. Eine Führungskraft, die einerseits Ihren MitarbeiterInnen nahelegt, sich zu schonen und nicht krank zur Arbeit zu kommen, andererseits aber nicht selbst auf die eigene Gesundheit achtet, wird eventuell als wenig authentisch erlebt und erntet Zynismus. In diesem Fall wird gesunde Mitarbeiterführung für Ihre Teammitglieder zur Alibi-Aktion. Sie als Führungskraft sollten daher eine gewisse Achtsamkeit entwickeln und vorleben. Essenziell sind hierfür regelmäßige Pausen am Arbeitsplatz, aber auch längere Pausen wie ein verlängertes Wochenende oder ein mehrwöchiger Jahresurlaub. Eine Führungskraft, die für sich und ihr Team sorgt, schafft Vertrauen und hat eine positive Vorbildfunktion.

Diese Tipps können Ihnen in der alltäglichen Zusammenarbeit mit Ihrem Team helfen und zu einer effektiveren Arbeitsweise führen. Reflektieren Sie vorab den Umgang mit Ihren eigenen Bedürfnissen und denen Ihrer MitarbeiterInnen und versuchen Sie sich Schritt für Schritt in Richtung eines gesünderen Führungsstils zu optimieren. Sich selbst, Ihrem Team und dem ganzen Unternehmen tun Sie damit nachhaltig etwas Gutes!

Autorin: Anna-Lena Herrenkind, Consulting Analyst, drehmoment, www.drehmoment-gmbh.de